Freilichtspiele 1925 " Der Stühlinger Bauernaufstand "

Das Stück „Der Stühlinger Bauernaufstand“ wurde im Sommer 1925 auf dem Marktplatz im Städtle mit 250 Laienschauspielern aufgeführt. Der Lehrer Hans Müller-Brandeck hat im Auftrag der Stadtverwaltung ein Theaterstück über den Bauernkrieg im Jahre 1524 geschrieben. Eigens zu diesem Anlaß wurden die Stadttore originalgetreu wieder aufgebaut. Die Zuschauertribüne war vom Hotel „Rebstock“ bis zum Amthaus, für die Ehrengäste war eine Tribüne vor dem Rathaus aufgebaut. Regisseur war August Schmidt aus Diessenhofen, für den technischen Bereich war der damalige Gewerbeschullehrer Franz Hug, heute Ehrenbürger, zuständig.

 


Davon spricht man in Stühlingen noch heute:
Volksschauspiel „Stühlinger Bauernaufstand“ hatte 1925 seine Premiere
250 Rollen von Stühlinger Laienspielern besetzt – Sieben Monate lang geprobt – Originalgroße Stadttore wurden für Spiel gebaut (sbe). Dass Stühlingen mit seinem mittelalterlichen Stadtkern, von den Einwohnern liebevoll „Städtle“ genannt, in heimatgeschichtlichen Abhandlungen immer wieder „der“ Ausgangspunkt des von wenig Erfolg begünstigten Bauernkrieges gewesen sein soll, scheint eine wohl leicht übertriebene und geschichtlich nicht fundierte Behauptung sein.

 

Denn Aufstände der Bauern fanden in den Jahren 1524/25 über das gesamte mittel- und süddeutsche Gebiet hinweg statt, auch im Elsaß, in Tirol, in Thüringen und in Österreich spielten sich in jenem Zeitraum ähnlich dramatische Ereignisse ab, wie im süddeutschen Grenzgebiet, dem Hotzenwald, Klettgau und dem Hegau.


Zwischen diesen drei genannten Gebieten befand sich zur damaligen Zeit die ausgedehnte Landgrafschaft Stühlingen, deren Bewohner wie andernorts sehr unter den Schikanen des Adels zu leiden hatten. Die Auswirkungen der Reformation hatten die naive Gläubigkeit des Volkes so nach und nach in ihren Grundfesten erschüttert. Aus den Thesen Martin Luthers entwickelten sich neue Gedanken in Bezug auf das gemeinschaftliche Zusammenleben. Unbestritten ist die Tatsache, dass am 23. Juni 1524 zum ersten Mal Bauern aus der Landgrafschaft Stühlingen unter der Führung des „Michl Haim von Stiellingen“ zum Schloss Hohenlupfen hinaufzogen und eine 16 Artikel umfassende Beschwerde vortrugen.


Genau hier an diesem heimatgeschichtlichen Kontrapunkt hakt der nachfolgende Bericht ein. Es war im Jahr 1924, also ziemlich genau 400 Jahre nach Ausbruch des ersten Stühlinger Bauernaufstandes, als geschichtsbewusste Stühlinger Bürger, an Ihrer Spitze der damals amtierende Bürgermeister Johann Maier, übrigens das erste hauptamtliche Stühlinger Stadtoberhaupt, sich zur Durchführung eines beträchtlich risikoreichen Unternehmens entschlossen.

 

Geplant war, jenes denkwürdige Ereignis der Bevölkerung des Raumes Stühlingen im Rahmen eines Volksschauspiels nahe zu bringen. Wer den Anstoß zu dieser Idee hatte, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, Tatsache aber ist, dass Emil Müller, der in der Zeit von 1905 bis1912 in Stühlingen als Hauptlehrer tätig war, von der Stadt Stühlingen beauftragt wurde, ein Theaterstück, basierend auf der Thematik des „Stühlinger Bauernaufstandes“ zu schreiben. Als Schriftsteller legte Emil Müller sich anscheinend ein Pseudonym zu. Er nannte sich laut vorhandenen Drehbüchern Hans Müller- Brandeck. Der Name „Müller“ mag ihm wohl zu trivial erschienen sein, vielleicht wollte er aber auch nur möglichenVerwechslungen vorbeugen.


Sei´s drum, sein Drehbuch in drei Akten wurde akzeptiert, es wurde ein Ausschuss ins Leben gerufen, denn bei der Durchführung dieses sehr viel Arbeit und Organisation erfordernde Vorhabens wollte man „Nägel mit Köpfen“ machen. Dass dies dann auch ganz hervorragend gelang, sei hier vorweggenommen. Noch heute spricht man in Stühlingen voller Hochachtung und Bewunderung von dieser großen Leistung, denn schließlich mussten fast alle Bürger der Stadt dabei Hand anlegen.

 

250 Rollen mit zum Teil recht schwierigen Charaktertypen waren, natürlich möglichst treffend, mit lauter Laienspielern zu besetzen. Als Regisseur wurde ein August Schmid verpflichtet, der zur gleichen Zeit in Diessenhofen (Schweiz) bei „Wilhelm Tell-Spielen“ Regie führte. Das schwierige Amt desmtechnischen Regisseurs wurde Gewerbeschullehrer Franz Hug übertragen, der heute zu  Stühlingens Ehrenbürgen zählt.


Weil die Sache auch ein großes finanzielles Risiko war, wurde kurzerhand ein Fond ins Leben gerufen, in den die einigermaßen begüterten Stühlinger Bürger eine bestimmte Summe einzahlen konnten, mit diesen Geldern sollten eventuell auftretende Defizite aufgefangen werden. Im Nachhinein erwies sich diese Vorsichtsmaßnahme jedoch als überflüssig, mit der Durchführung dieses Volksschauspiels, dessen Spielzeit über den ganzen Sommer 1925 lief, wurde sogar ein ansehnlicher Gewinn erzielt. Beweis hierfür sind Belege aus jener Zeit, die im Stühlinger Rathausarchiv aufbewahrt werden.


Man hatte aber auch wirklich keine Kosten und insbesondere keine Mühen gescheut, die letztendlich zum Erfolg der Stühlinger Freilichtspiele beitrugen. Großer Wert wurde auf die authentische Kostümierung und natürlich auch auf das Szenarium gelegt, denn wie schon erwähnt – der Schauplatz des Geschehens war Stühlingen, genauer gesagt der Marktplatz vor dem Stühlinger Rathausim Kern des mittelalterlichen „Städtchens“. Für die große Zahl der erwarteten Zuschauer wurde, ausgehend vom Gasthaus Rebstock bis hinüber zum Amtshaus (etwa eine Distanz von 100 Metern), eine riesige Tribüne installiert. Eine kleinere Tribüne für die „Honoratioren“ war zwischen Rathaus und Stadtbrunnen aufgebaut, so dass die Besucher das dramatische Geschehen hautnah miterleben konnten.


Dem Premierentag fieberte ganz Stühlingen entgegen Der Clou aber, der wohl am meisten zur Perfektion des Bühnenbildes beitrug, war der Aufbau der zwei Stadttore, wie sie zur Zeit der des Bauernaufstandes ja noch wirklich als „oberes“ und „unteres“ Stadttor vorhanden waren. Dadurch ergab sich auch ein in sich geschlossenes Bühnenbild.


Nach Monate dauernden intensiven Probearbeiten war dann endlich im Juni 1925 Premiere. Diesem Tag fieberte ganz Stühlingen entgegen. Der Dreiakter mit dem Titel „Stühlinger Bauernaufstand“ erwies sich innerhalb kürzester Zeit, im heutigen Jargon ausgedrückt, alsbald als „Renner“. In Scharen strömten die Besucher nicht nur aus der näheren, sondern auch der weiter entfernten Stühlinger Umgebung herbei. Insbesondere waren in jenem Jahr die Stühlinger Volksschauspiele ein sehr beliebtes Ausflugsziel ganzer Schulklassen und Vereine. Gewiss spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass die Radiotechnik noch in den Kinderschuhen steckte, vom Fernsehen ganz zu schweigen, so dass allein schon von der Unterhaltungsseite her betrachtet ein sehr großer Bedarf vorhanden war.


Rosel Fischer, heute 70 Jahre alt, damals junges Mädchen in der Rolle der „Hanne“ mitwirkte, kann heute noch das ganze Theaterstück auswendig vortragen, jede Szene ist ihr geläufig, und wenn sie einzelne Passagen rezitiert, dann hört man heute noch heraus, dass der Regisseur auf die Darstellung dramatischer Akzente, für heutige Begriffe wohl etwas zu großen Wert legte.


Herausragende Rollen bei der Gestaltung waren Hans Müller von Bulgenbach (Jakob Böger), Graf Sigsmund von Lupfen (Otto Walker), Gräfin Clementine (Maria Gysi geb. Grüninger), Graf Jörg von Lupfen (Paul Steinweg), Michael Guot (Konrad Gräble), Sebastian Dobler (Franz Schlöderle), Stoffel Böringers (Hugo Würth), Vater Schielin (Johann Grüninger), Heini Burger (Willi Geng), Magdalena Schielin (Erika Feederle), Gregori Meggle (AntonHägele), Frau Obserin (Agnes Haim), Margarete Bulgenbach (Frida Schüle geb. Zahn), Barbara (Antonia Bermann geb. Schüle), Forstwart ( Leopold Harder) und als Bauernanführer Michel Haim (Hermann Erne).


Eine Vielzahl von Statisten stellte sich für die Rollen als Landsknecht, Zigeuner, Juden, Stadtknecht, Bauern, Bürger und Kinder zur Verfügung. Die historischen Kostüme stammten alle aus dem Fundus des Basler Stadttheaters, mit zum Erfolg trug mit Sicherheit auch die wirklich „echte“ Kulisse des Marktplatzes bei. Einige Szenen erforderten murrendes, drohendes Volksgemurmel. Um dies möglichst lebensecht den Besuchern zu Gehör zu bringen, hatten die Schauspieler und Statisten von der Regie die Anweisung bekommen, das Wort „Rhabarbere“ vor sich hin zu flüstern. Die zum Teil recht langen Monologe der einzelnen Sprechrollen mussten ohne Zuhilfenahme eines Mikrophons bewältigt werden.


Das alles ist nun 57 Jahre her, die meisten Mitwirkenden leben nicht mehr. Jedoch jene Angehörigen der älteren Stühlinger Generation, die 1925 im Kindesalter als Statisten mit Begeisterung bei der Sache waren, wissen noch vieles aus jenem denkwürdigen Jahr zu erzählen, als die Stühlinger in beispielhaftem Gemeinschaftssinn zum Erfolg dieses Volksschauspiels mit beigetragen haben.Edelgard Bernauer